Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann
und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.
Friedrich Christoph Oetinger
Der Begriff ‚Krankheitsbewältigung‘ ist in der Psychologie fest verankert. Gemeint ist hiermit die erfolgreiche, persönliche Strategie, mit, bzw. trotz einer Krankheit oder Behinderung ein gutes, zufriedenes Leben zu leben. Ziel einer gelungenen Krankheitsbewältigung ist es, momentane oder überdauernde, krankheitsbedingte Veränderungen und Einschränkungen annehmen zu lernen und optimal in das eigene Leben zu integrieren.
Wird ein Mensch mit der Diagnose einer schweren Krankheit konfrontiert, durchläuft er meist verschiedene Stadien von Reaktionen und Verarbeitungsmustern: Am Anfang besteht oft ein Schock, der bis zur Verleugnung, dem „nicht wahrhaben wollen“ einer Diagnose gehen kann. Hieran schließen sich manchmal Phasen der Aggression („Warum ich?“) und der Depression an. Letztere sind meist durch einen Einbruch, eine Bedrohung des gewohnten Selbstbildes ausgelöst („Ich kann nicht mehr funktionieren wie bisher, wodurch meine gesamte Identität in Frage gestellt wird.“). Wenn es gelingt, diese Phasen zu überwinden, kann es zu einer ersten Akzeptanz der eigenen Krankheit kommen. Dabei können die vorherigen Phasen auch mehrmals aufs Neue durchlebt werden, bis es zu einem stabilen Frieden mit den Veränderungen kommen kann.
Blockaden erkennen - Heilungsenergien sinnvoll verwenden
Alle Phasen und Gefühle sind wichtig, um ein neues Gleichgewicht unter veränderten Umständen finden zu können. Wut und Trauer bspw. erfüllen eine wichtige, reinigende Funktion für das gesamte Seelenleben.
Manche Menschen verharren jedoch angesichts einer Diagnose oder eines Schicksalsschlags in Aggression oder Depression. Die weiteren Folgen sind dann Resignation oder Verbitterung und ein erheblich gestörter seelischer Frieden. Dieses bleibende „Hadern“ mit dem eigenen Schicksal bindet jedoch wertvolle Lebens- und auch Heilungsenergien! Es kommt zu einer Fixierung auf unliebsame, krankheitsbedingte Einschränkungen; einem „Tunnelblick“, bei dem positive Impulse und Erlebnisse im eigenen Leben nicht mehr wahrgenommen oder als unbedeutend angesehen werden.
Die große Erkenntnis der Psychoneuroimmunologie (jener Wissenschaft, die die Wechselwirkungen von Psyche und Körper erforscht) ist aber gerade die, dass negativer Stress und damit verbundene negative Gefühle wie bspw. Wut, Trauer, Neid und Hilflosigkeit unser Immunsystem auf Dauer erheblich schwächen. Dagegen weisen Gefühle von Freude, Heiterkeit und Vertrauen eine immunstärkende Wirkung auf.
In der Akzeptanz und dem Frieden mit der eigenen Erkrankung – wie auch immer sich dieser im Einzelfall gestalten mag – werden also auch auf physiologischem Weg Heilungsenergien freigesetzt, die wiederum positive Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben können.
Annahme als erstes Tor zu Besserung oder Heilung
Betrachtet man die Lebensaufgabe ‚Krankheitsbewältigung’ aus einer höheren, eher spirituellen Perspektive, ergibt sich der Begriff der Annahme. Annahme gehört zu den größten Herausforderungen im Leben. Wo wir schöne „Zufälle“ und Begebenheiten im Leben meist selbstverständlich annehmen, fällt uns die Akzeptanz von Leid, Hindernissen und Schicksalsschlägen mehr als schwer.
Zu einer schweren Erkrankung, die wir in aller Regel ja „so schnell wie möglich wieder los werden wollen“, ‚Ja’ sagen, ‚Ja’ sagen zu Schmerzen, Einschränkungen und Behinderungen - geht das überhaupt?
Annahme ist immer das entscheidende Tor zur Heilung – so paradox das zunächst klingen mag. Erst im Akzeptieren des jeweiligen Ist-Zustandes können sich die eigenen Selbstheilungskräfte voll entfalten. Und erst in der Annahme der Erkrankung kann sich der Betroffene, sofern er dafür offen ist, jener Lernaufgaben und Veränderungserfordernisse bewusst werden, die im Einzelfall mit einer Erkrankung verbunden sein können.
Von der Annahme zur Hingabe
Eine Krankheit annehmen heißt nicht zwingend, sie als unabdingbar zu betrachten. Annahme einer schweren Erkrankung meint für mich, sie als momentanen Bestandteil des eigenen Lebens akzeptieren zu lernen. Der Glaube an mögliche Veränderungen, Besserung oder auch die Hoffnung auf Heilung (in welcher Form, wie umfassend und konkret sie im Einzelfall auch immer aussehen kann) darf und soll daneben erhalten bleiben. Wenn wir eine solche innere Haltung einnehmen lernen, vollziehen wir den Wechsel von Annahme zu Hingabe. Wir bewältigen das, was in unserer momentanen persönlichen Macht liegt, den Rest überlassen wir dem Leben. Hingabe heißt, mögliche Veränderungen dem Fluss des Lebens zu überlassen.
Gelungene Krankheitsbewältigung